sz - „Weiter, immer weiter“, mit diesen Worten trieb Oliver Kahn 2001 „seine Bayern“ zum Last-Minute-Meistertitel trotz zwischenzeitlichem Rückstand. In der Fußball-Oberliga zeigte der FV Ravensburg am vergangenen Samstag „Kahn’sche Kämpfertugenden“ und rang dem Meisterschaftsfavoriten FC Nöttingen trotz eines 0:3-Rückstandes nach 49 Minuten noch ein 3:3 ab. „Alle Achtung!“ kann man da nur sagen, da hat der FV das erste Ausrufezeichen in der noch jungen Oberliga-Saison gesetzt. „Es war schon schwer, noch dran zu glauben“, beschreibt FV-Trainer Gerhard Rill seinen Gemütszustand beim 0:3, „auch wenn man als Trainer immer das Positive sucht.“ Aber, was Nöttingen in den ersten 50 Minuten ablieferte, ließ nicht viel Raum für Ravensburger Hoffnungen. So dominant waren die Nordbadener, kombinationssicher und immer gefährlich. Vor allem die beiden Stürmer Yasin Ozan und Michael Schürg bekam die FV-Abwehr nicht in den Griff. Nervosität machte sich breit, viele Ballverluste waren die Folge. Aber dann brachte Daniel Di Leo den FV mit dem 1:3 in der 50. Minute wieder zurück ins Spiel, dem FV-Torjäger bestätigte Rill „ein richtig gutes Spiel“.
„Das war ein psychologischer Türöffner“, sagt der Trainer weiter, „die Mannschaft hat sich an dem Tor wieder aufgerichtet.“ Auf der anderen Seite hatte Nöttingen das Spiel wohl schon als sicheren Dreier verbucht, „es ist im Fußball immer schwer, wieder einen Gang hochzuschalten, wenn man schon die Spannung verloren hat“, weiß Rill. Nach Sebastian Mährs Anschlusstreffer (60.) war es Jona Boneberger , der drei Minuten nach seiner Einwechslung den Ausgleich markierte. „Sensationell“, sagt Rill. Für die neue Saison erhoffe man sich beim FV viel von dem 22-Jährigen, „dass es gleich im ersten Spiel so klappt“, freute den Trainer ganz besonders. Und natürlich, dass man auch in dieser Saison gleich im ersten Spiel wieder von der starken Ersatzbank profitieren konnte. Boneberger strahlte nach dem Spiel über das ganze Gesicht, aber auch die ganze Mannschaft dürfte durch den erkämpften Punktgewinn an Moral gewonnen haben. „So was schaffen nicht viele Mannschaften“, sagt Rill, „jetzt kann ich künftig bei jedem Spielstand sagen, vorbei ist es nie, es geht immer weiter“, verweist Rill auf „die Oliver-Kahn-Einstellung.“
Künftig will der Trainer jedoch nicht in jedem Spiel drei Tore aufholen müssen und vor allem eine bessere erste Hälfte zeigen. Die nächste Gelegenheit gibt es am kommenden Samstag, dann kommt mit Astoria Walldorf ein Top-Team der Liga ins Ebra-Stadion. „Es wird uns ein ähnliches Spiel erwarten wie gegen Nöttingen“, ist er sich sicher. Auch Walldorf spiele sehr dominant. „Wir sind Underdog, aber wir wollen den Zuschauern etwas bieten.“
Noch zwei Spiele bis zum DFB-Pokal. Oder anders gesagt, nur noch zwei Siege im WFV-Verbandspokal trennen den Landesligisten FV Ravensburg II von der Teilnahme an der DFB-Pokal-Hauptrunde in der Saison 2014/2015. Denn die Finalisten befinden sich bekanntlich bei der Auslosung in einem Topf mit den ganz Großen. Einmal der große FC Bayern München im Ebra-Stadion zum Nulltarif. Träumen darf man schon mal von so einem Jahrhundert-Event. Doch der Weg dorthin ist lang und holprig. Der VfL Brackenheim erwies sich im Achtelfinale des WFV-Verbandspokals nicht als Stolperstein (3:2 n.V.), sondern die spielleitende Behörde vom Württembergischen Fußball Verband (WFV). Als die Partie am Samstag um 17 Uhr angepfiffen werden sollte, waren nämlich alle da, nur einer nicht, der Schiedsrichter. Der oberste Spielleiter beim WFV, Thomas Proksch , musste nach telefonischer Rücksprache einräumen, das man vergessen hatte, einen Unparteiischen für diese Partie einzuteilen. Es menschelt halt überall, auch beim WFV. Aber was tun in so einem Fall? Den Gegner wieder heimschicken?
Brackenheim liegt ungefähr 220 Kilometer nördlich von Ravensburg. Paragraf 55 der Spielordnung schreibt vor: Fehlt ein Schiedsrichter, müssen sich beide Vereine ernstlich bemühen, einen Schiedsrichter zu finden, der mindestens die Qualifikation für die zweittiefere Klasse besitzt. In dieser Begegnung wäre das ein Kreisliga A-Schiri. Doch woher nehmen zur besten Biergartenzeit? Wie so oft hat Kommissar Zufall geholfen, dass doch noch gespielt werden konnte. Derzeit hütet Konstantin Maier das Tor des FV Ravensburg II. Vater Hans-Joachim Maier, Bezirksvorsitzender des Fußball-Bezirks Bodensee , war deshalb im Ebra-Stadion. Er suchte und fand mit den Verantwortlichen in Olaf Walser vom SV Weißenau doch noch einen Schiedsrichter. Er, der einzige zu erreichende Schiri an diesem Abend, nahm sich dieser schwierigen Aufgabe an und meisterte sie bravourös, wohlgemerkt ohne Assistenten an der Linie. Am Ende waren alle glücklich, die Sieger wie immer etwas mehr, die Verlierer wie immer etwas weniger.
Von Alexander Tutschnerund Klaus Eichler